Montage und Elektroinstallation: Swissolar lanciert die Solarlehre. Ab Sommer 2024 wird die neue Ausbildung schweizweit zum ersten Mal durchgeführt. Rita Hidalgo, Leiterin Bildung bei Swissolar, über die Dringlichkeit und die Chancen des neuen Berufs.
Frau Hidalgo, wir befinden uns auf dem Dach des Swissolar-Hauptsitzes in Zürich. Nur, wo bleibt die Photovoltaik-Anlage?
Das Gebäude gehört nicht uns, wir sind hier nur eine von vielen Mietparteien. Leider konnten wir die Besitzer bisher nicht vom Bau einer PV-Anlage überzeugen. Aber wir werden die Verwaltung bei nächster Gelegenheit erneut aufs Thema aufmerksam machen.
Die Solarstromproduktion zu fördern, ist doch die Kernaufgabe von Swissolar …
Das stimmt, aber unser Aufgabengebiet ist vielfältiger. Wir vertreten die Anliegen von über 1000 Mitgliedern aus der Solarbranche wie Installateuren, Herstellern, Energieversorgern und Planern. Grundsätzlich geht es darum, dass die politischen Rahmenbedingungen für die Solarbranche stimmen, beispielsweise was die Fördermassnahmen, Subventionen und Vergütungen von PV-Anlagen und PV-Strom betrifft. Wir setzen uns für vereinfachte Baubewilligungsverfahren ein und treiben Regulierungsprozesse voran, Stichwort Blitz- und Brandschutz.
Rita Hidalgo (41)
hat in Bern Chemie und Wissenschaftstheorie studiert und lange in einem Bildungsverlag gearbeitet, wobei sie für die naturwissenschaftlichen Lehrmittel zuständig war. Seit 2022 arbeitet sie als Leiterin Bildung bei Swissolar, dem Schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie, in Zürich.
Die Schweiz hat 2022 einen Rekordzubau an Solarkraft verzeichnet. Das müsste Sie freuen.
Natürlich freuen wir uns über solche Entwicklungen. Inzwischen gibt’s in der Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen auch die Solarpflicht für Neubauten. Das geht uns zwar zu wenig weit, ist aber ein Anfang. Es interessieren sich zudem immer mehr Menschen für die Solartechnologie, das allgemeine Wissen ist grösser geworden. Klar, die Anlagen sind ja auch effizienter als früher und zudem schneller amortisiert. Ausserdem ist das Bewusstsein für Klimafreundlichkeit, Energie und Energieverbrauch gestiegen.
Weshalb?
Dazu tragen viele Faktoren bei: die aktuelle politische Lage und mögliche Strommangelszenarien, aber auch das Interesse des Landes, im Winter weniger auf Stromimporte angewiesen zu sein. Aber: Solange es noch so viele freie Dachflächen gibt, ist unsere Arbeit noch nicht getan. Das brachliegende PV-Potenzial ist beträchtlich.
Welche Entwicklung erwarten Sie in den nächsten Jahren im PV-Zubau?
Gemäss den Energieperspektiven 2050+ des Bundes soll bis 2050 knapp die Hälfte des Strombedarfs durch Photovoltaik gedeckt sein – heute stehen wir bei rund 7 Prozent. Der jährliche Zubau wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren ansteigen und danach konstant hoch bleiben. Stand heute fehlen der Solarbranche in den nächsten Jahren Tausende Fachkräfte. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass in der Schweiz momentan zirka 10 000 Personen in der Solarbranche arbeiten. Für die nächsten rund zehn Jahre brauchen wir etwa doppelt so viele Fachkräfte.
Was genau beinhaltet die Solarlehre, mit der Sie jährlich etwa 200 Lernende ausbilden wollen?
Bei der dreijährigen Lehre zum / zur Solarinstallateur/-installateurin geht es in einer ersten Phase um Materialkunde, Arbeitssicherheit, Dachkompetenzen und um die Zusammenarbeit auf der Baustelle mit verschiedenen Gewerken. In einem weiteren Teil erarbeiten sich die Auszubildenden das Wissen über verschiedene PV-Systeme und lernen, die Anlagen zu montieren. Der Elektrotechnikpart folgt zum Schluss der Lehre. Da geht es darum, den Strom vom Dach ins Haus zu bringen, Leitungen zu legen, um Blitz- und Brandschutz sicherzustellen. Bei der zweijährigen Lehre zum / zur Solarmonteur /-monteurin fällt der Stromteil weg.
Warum kommen diese Ausbildungsgänge erst jetzt?
Diese Lehre ist bereits seit vielen Jahren ein Thema. Allerdings war Swissolar lange Zeit zu klein, um ein solches Angebot auf die Beine zu stellen und zu stemmen. Als OdA, Organisation der Arbeitswelt, braucht man eine gewisse Grösse. So lag unser Fokus jahrelang darauf, das Solarthema überhaupt gross zu machen.
«Wer sich in der Solarbranche spezialisiert, leistet nicht zuletzt einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.»
Rita Hidalgo
Was braucht es, um eine neue Lehre zu lancieren?
Zuerst mussten wir den Beweis erbringen, dass die Solarbranche hinter dieser Lehre steht und die Bereitschaft da ist, Lernende auszubilden und danach auch anzustellen. Da wir die Branche vertreten, holten wir entsprechendes Feedback ein, das praktisch vollumfänglich positiv war. Danach haben wir das Anliegen dem Bund vorgestellt und für die weiteren Schritte eine Arbeitsgruppe einberufen.
Welche weiteren Schritte?
Gemeinsam mit Polybau, dem Bildungszentrum für das Berufsfeld Gebäudehülle, haben wir die Lehre innerhalb eines Jahres entwickelt. Da ging es beispielsweise darum, die Themen, die Teil der Lehre sein sollen, zu definieren, um den Bildungsplan und die Prüfungsanforderungen. Nun folgen die Ausarbeitung der Inhalte der überbetrieblichen Kurse und der Lehrplan für die Berufsfachschule.
Welche Institutionen waren dabei sonst involviert?
Während der ganzen Zeit waren wir im Austausch mit vielen verschiedenen Akteuren. Beispielsweise mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, jenem für Wirtschaft, dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat, den Bundesämtern für Umwelt und Energie, um nur einige zu nennen. Einen wichtigen Part hatte auch die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung, die uns eng begleitet hat.
Was sagen Sie zu kritischen Stimmen, die behaupten, es brauche diese Lehre nicht?
Grundsätzlich ist es schwierig, Lernende zu finden, gerade in der Baubranche. Deshalb gibt es Kritiker, welche die neue Lehre als Konkurrenz sehen. Ich bin da anderer Meinung: Dadurch, dass wir Fachkräfte ausbilden, nehmen wir den anderen Branchen keine ausgebildeten Mitarbeitenden weg. Auf dem Dach arbeiten viele Gewerke Hand in Hand. Dachdecker, Zimmerleute, Spengler, hinzu kommen Elektroinstallateurinnen: Bei einigen Berufen sind Solarkompetenzen bereits im Bildungsplan verankert – das ist gut so. Trotzdem braucht es eine Professionalisierung der Solarbranche, die wir mit der Lehre erreichen.
Warum raten Sie Jugendlichen, eine Solarlehre in Angriff zu nehmen?
Auf den Dächern gibt’s noch viel zu tun, der Beruf hat Zukunft. Es geht nicht nur um den PV-Zubau, sondern auch um die Wartung und den Ersatz von ganzen Anlagen, die ihre Lebensdauer erreicht haben. Wer sich in der Solarbranche spezialisiert, leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.
Weitere Infos zu den neuen Berufslehren finden Sie unter solarlehre.ch
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