Der Bauernhof der Familie Bigler in Moosseedorf gilt als einer der modernsten Betriebe der Schweiz. Biglers produzieren nicht nur Milch und Fleisch, sondern mit ihrer Biogasanlage auch Wärme und Strom für Hunderte Haushalte.
Mein wichtigstes Arbeitsgerät ist das Smartphone», sagt Rudolf Bigler gleich zu Beginn des Hofrundgangs. «Wenn eine Anlage aussteigt oder es andere Probleme gibt, alarmiert mich das System augenblicklich.» Der eidgenössisch diplomierte Meisterbauer ist bereits auf dem Betrieb am Rande von Moosseedorf aufgewachsen, vor etwa dreissig Jahren hat er ihn übernommen und vom einfachen Betrieb zu einem dynamischen Vorzeigehof umgestaltet.
Heute führt er ihn gemeinsam mit seiner Frau Christine, den beiden erwachsenen Kindern Manuela und Simon sowie zwei Mitarbeitenden und zwei Lernenden. Bigler setzt dabei auf moderne Technologien und innovative Methoden, um nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger zu produzieren. «Bei uns ist alles miteinander vernetzt.» Das Resultat ist ein fein austarierter, hofumspannender Kreislauf mit vielen verschiedenen Puzzleteilen.
Vom Feld in die Kuh
Zirka 120 Milchkühe der Rasse Holstein, Rinder, Kälber, dazu etwa 120 Muttersauen und jährlich rund 2000 Ferkel: Zusammenarbeit von Tier, Mensch und Maschine: Der Mistroboter stösst die Ausscheidungen der Kühe durch die Rostspalten ins Güllenloch. «Unsere Tiere sind die Basis für die grüne Energie, die wir produzieren», sagt Bigler. Entsprechend wichtig ist ihm das Tierwohl, angefangen beim Futter. «Gras, Mais, Zuckerrübenschnitzel, Getreide – das Futter für die Tiere bauen wir grösstenteils selbst an.»
Ein vollautomatischer Fütterungsroboter mischt die Zutaten in der Futterküche und versorgt die Tiere mehrmals pro Tag mit frischen, auf sie abgestimmten Rationen. Auch das Melken übernehmen Roboter, die Bigler zudem wichtige Daten wie Milchmenge, Temperatur und Farbveränderungen aufs Smartphone schicken. Monatliche Laborproben geben weitere Rückschlüsse zur Gesundheit der Kühe. «Wir möchten gesunde Kühe, die sich wohlfühlen.» Die Tiere tragen ein Halsband mit einem Chip und haben somit die Gelegenheit, sich sozusagen an der Stallschleuse «auszuloggen» und den Tag auf der Weide zu verbringen. «Es gibt Kühe, die nutzen diese Möglichkeit kaum, andere sind ständig draussen.»
«Auch für uns ist es nach wie vor faszinierend zu sehen, wie aus Mist grüne Energie wird.»
Rudolf Bigler
Von der Kuh in die Biogasanlage
Sämtliche Gülle, sämtlicher Mist, die auf dem Bigler-Hof anfallen, sind wiederum der Rohstoff für die Biogasanlage. Im Fall der Kühe dreht ein Mistroboter in der Grösse eines etwas überdimensionierten Staubsaugers im Stall seine Runden und stösst die Tierausscheidungen durch die Rostspalten ins Güllenloch. «Nebst dem eigenen Mist beziehen wir zusätzlich Pferdemist aus der Region», sagt Bauer Bigler. «Dazu mischen wir Schotte aus der Käseproduktion und Dinge wie Kaffeesatz und Pflanzenkohle.» Bigler vergleicht die Biogasanlage mit einem Kuhmagen. «Man muss die Anlage richtig ‹füttern›, auch hier ist die Mischung entscheidend.»
Die Funktionsweise der Gasproduktion lässt sich wie folgt vereinfachen: In einer unterirdischen Mühle wird der Mist fein gemahlen, mit «Bschütti» vermischt und in den Fermenter gepumpt. Bei 45 Grad blubbert die ganze «Sosse» unter ständigem Rühren vor sich hin, bevor sie in den ebenfalls geheizten Nachgärer gelangt. Das bei den beiden Prozessen gebildete Methangas wird im Membranspeicher des Nachgärers gesammelt und via Gasleitung dem Blockheizkraftwerk zur Stromproduktion zugeführt.
Von der Biogasanlage in die Netze
In einem ersten Schritt wird das Biogas in der Heizzentrale getrocknet und entschwefelt. Danach dient es als Treibstoff für den Motor des Stromgenerators, mit dem Biglers jährlich rund 2,2 Millionen Kilowattstunden Strom ins Netz speisen und damit etwa 550 Wohnungen mit elektrischer Energie versorgen. «Die Abwärme des Motors heizt das Wasser, das in unserem Fernwärmeverbund zirkuliert und rund hundert Wohnungen sowie das Schulhaus mit Wärme versorgt», sagt Rudolf Bigler. «Weiter heizen wir damit Fermenter und Nachgärer sowie zusätzlich unsere Schweineställe.»
Das System läuft rund um die Uhr, praktisch das ganze Jahr hindurch. Im Winter, wenn der Wärmebedarf besonders gross ist, kann Bigler zusätzlich auf eine Holzschnitzelheizung zurückgreifen, um die Abnehmer lückenlos mit Wärme zu versorgen. Beim verwendeten Holz handelt es sich grösstenteils um Abfallholz aus dem eigenen, rund 15 Hektar grossen Wald. Den Restbedarf kauft Bigler aus regionaler Produktion dazu.
Noch mehr erneuerbare Energie
Derzeit laufen die Bauarbeiten fürs nächste Projekt auf dem Bigler-Hof. «Die Nachfrage nach erneuerbarer Wärme ist gross, die Leute wollen weg von fossilen Energieträgern », sagt der Bauer. «Deshalb bauen wir einen zusätzlichen, noch grösseren Wärmeverbund fürs Dorf, der Ende Jahr in Betrieb gehen soll.» Ausserdem ist zur bestehenden Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 150 Kilowatt-Peak eine weitere, 100 Kilowatt-Peak starke PV-Anlage geplant.
Bei der Planung und Umsetzung aller Anlagen greift die Familie Bigler auf das Know-how der Elektra-Tochter GUNEP zurück. «Wir arbeiten seit Jahrzehnten erfolgreich zusammen», sagt Eugen Koller, Geschäftsführer GUNEP. «Biglers sind ein Musterbeispiel dafür, wie die künftige Energieversorgung aussehen muss.» Wer einen derart modernen sowie florierenden Betrieb führt, weckt Interesse aus dem In- und Ausland. Nachhaltigkeitsverantwortliche und Digitalisierungsexperten von globalen Lebensmittelherstellern kommen auf den Hof, auch Forscherinnen und Politiker aus aller Welt lassen sich in Moosseedorf inspirieren. «Wir freuen uns, wenn sich die Leute für unser Konzept interessieren», sagt Rudolf Bigler. Und: «Auch für uns ist es nach wie vor faszinierend zu sehen, wie aus Mist grüne Energie wird.» Wobei Wärme und Strom nicht die einzigen Produkte sind, die aus der Biogasanlage resultieren. Ein Separator trennt nach der Gasproduktion die Feststoffanteile wieder von der Gülle. Das Resultat ist ein Volldünger, der den Humusgehalt im Boden erhöht, und «Bschütti», die methanfrei und damit fast geruchsneutral zur Düngung auf die Felder kommt. Dies mit dem Ziel, das Wachstum der Pflanzen auf natürliche Art und Weise positiv zu fördern, bevor sie wieder in den Mägen der Tiere landen – ein geschlossener Kreislauf eben.
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