Die Energiestrategie 2050 setzt die Leitplanken für eine nachhaltige Energieversorgung. Andreas Danuser will mit aliunid ein neues Energiesystem entwickeln. Am Pilotprojekt beteiligt ist auch die Elektra.
Damit unsere Energieversorgung auch in Zukunft sicher und stabil ist, muss sie sich verändern. Denn anders als heute wird die Energie je länger je mehr aus erneuerbarer Energie stammen. So will es die Energiestrategie 2050. Das bedeutet, dass wir ein System benötigen, in dem sich die Nachfrage nach Energie der vorhandenen Energie anpasst. Zum Vergleich: heute ist genau das Umgekehrte der Fall. Wir richten die Produktion von Energie der Nachfrage aus.
Als Mitbegründer des Start-up aliunid verfolgt Andreas Danuser das Ziel, ein Energiesystem zu schaffen, das den neuen Anforderungen gerecht wird. Am Pilotprojekt sind 15 Energieversorger, darunter die Genossenschaft Elektra, drei grosse Wasserkraftproduzenten und ein Schweizer IoT-Entwickler beteiligt. Gemeinsam erforschen sie, wie das Energiesystem der Zukunft aussehen könnte.
Mehr zu aliunid und Andreas Danuser erfahren Sie im Interview.
Herr Danuser, mit aliunid entwickeln Sie ein komplett neues Energiesystem. Dieses soll zum Erreichen der Ziele der Energiestrategie 2050 beitragen. Was ist aliunid?
Zunächst möchte ich gerne kurz die Ausgangslage schildern: Die heutige Energiewelt basiert auf wenigen Produktionsstätten, welche die Konsumenten mit Energie versorgen. Mit der Energiestrategie 2050 und den Forderungen, auf fossile Energieträger wie Erdöl und auf Nuklearenergie zu verzichten sowie erneuerbare Energien zu fördern, sind in der Branche neue Systeme gefragt. Unser Ziel ist eine dezentrale Produktion. Das heisst, dass erneuerbare Energie möglichst lokal produziert, konsumiert und allenfalls gespeichert wird.
Wie funktioniert das konkret?
Immer mehr haben wir dezentrale Energieproduktion, zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf einem Hausdach oder ein Windgenerator in der Region. Ebenfalls haben wir dezentral immer mehr Energiespeicher, wie zum Beispiel ein Elektroauto in der Garage oder eine Batterie. Zudem lassen sich gewisse Geräte, wie die Geschirrspülmaschine oder der Warmwasserboiler, zeitlich steuern. Wenn nun aufgrund von viel Sonnenschein oder Wind mehr Energie produziert als verbraucht wird, veranlasst aliunid, dass diese Energie sinnvoll genutzt oder gespeichert wird – das System atmet ein. Falls zu wenig Energie produziert wird, kann die zuvor gespeicherte Energie abgegeben werden – das System atmet aus. Auch Pumpspeicherkraftwerke können als riesige Batterien dienen, indem man das Wasser mit derzeit überschüssiger Energie zum Speichersee hinaufpumpt. Wenn aber zu wenig Energie verfügbar ist, atmet das System aus, gibt also die gespeicherte Energie ins Netz ab.
Und damit kocht dann mein Nachbar zum Beispiel sein Mittagessen?
Genau. Meine Vision ist, dass Dörfer oder kleine Städte sich mit aliunid möglichst autark mit Energie versorgen können. Die Elektra beteiligt sich derzeit an einem Feldversuch des Systems – was mich persönlich übrigens sehr freut: Ich bin in Bernfeld aufgewachsen und verbrachte meine ganze Schulzeit in Jegenstorf. Jedenfalls nimmt die Elektra eine Vorreiterrolle ein, weil Solaranlagen bereits sehr verbreitet sind. Damit wird vor Ort schon viel erneuerbare Energie produziert, die nun auch lokal konsumiert wird.
Zur Person
Andreas Danuser ist im Bernfeld in Jegenstorf aufgewachsen. Er hat an der ETH Zürich ein Elektroingenieurstudium absolviert und im Bereich vernetzter IT-Systeme promoviert. Anschliessend arbeitete er unter anderem bei ABB und Ascom. Seit über 20 Jahren ist er als Unternehmer tätig. In dieser Zeit gründete er rund ein Dutzend Unternehmen. Seit 2014 ist er Professor für verteilte Systeme und Internet of Things (IoT) an der Berner Fachhochschule. Aliunid ist sein neustes Projekt.
Sie sind Computerwissenschaftler und Unternehmer. Welche Ihrer Fähigkeiten ist bei aliunid gefragt?
Mein Beitrag ist vor allem die Eigenentwicklung SIOT (IoT = Internet of Things). Das ist ein System, an dem ich seit über sechs Jahren arbeite. Das «S» seht für Schwarm, sicher und Schweiz. Das heisst: Anders als herkömmliche IoT-Systeme konzentrieren wir uns nicht auf zentrale Server, die irgendwo im Ausland Daten aufzeichnen, sondern setzen auf eine sogenannte verteilte Architektur und die daraus resultierende Schwarmintelligenz: Bei jedem aliunid-Kunden installieren wir einen eigenen Rechner, der die Daten erfasst, auswertet und direkt mit den anderen kommuniziert. Dabei leitet er aber nur anonymisierte Daten weiter. Diese dezentrale Struktur macht das System sehr sicher und robust.
Sie haben es vorhin schon angesprochen: Derzeit läuft bei der Elektra und bei rund zwanzig weiteren Energieversorgern ein Feldversuch mit aliunid. Wie lange war der Weg dahin?
Mitgründer David Thiel und ich lernten uns im Dezember 2017 kennen. Die Idee für ein neues Energiesystem kam von ihm, für die Umsetzung holte er mich an Bord. Im März 2018 gründeten wir unser Unternehmen und fragten die ersten Energieversorger für eine Kooperation an. Nach etwa einem Jahr konnten wir dann den Feldversuch starten. Und Anfang 2021 sollen die ersten Produkte von aliunid marktreif sein.
War es schwierig, Elektrizitätswerke für den Feldversuch zu gewinnen?
Viele haben unsere Idee sehr gut aufgenommen, weil ihnen bewusst ist, dass neue Lösungen nötig sind. Mit der Energiestrategie 2050 ist der Handlungsdruck gegeben und mit aliunid ermöglichen wir den Energieversorgern, ein passendes Produkt mit zu entwickeln.
Weshalb brachten Sie nicht direkt das fertige Produkt auf den Markt?
Das war nie unsere Idee. Wir orientieren uns zusammen mit unseren Kunden an der Herausforderung der zukünftigen Energieversorgung und suchen nach dem besten Produkt. So wachsen wir gemeinsam an den Aufgaben, profitieren voneinander und entwickeln die bestmögliche Lösung.
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