Die Olo Marzipan in Lyssach produziert jährlich etwa 2000 Tonnen an Leckereien aller Art. Dabei ist das Unternehmen auf eine unterbruchsfreie Stromversorgung angewiesen. Was aber, wenn gemäss Risikoanalyse des Bundes Szenarien eintreten, bei denen es künftig vermehrt zu längeren Strommangellagen oder gar Blackouts kommt?
«Kennen Sie das Marzipanrüebli auf der Rüeblitorte?», fragt Stefan Kummer, Geschäftsführer der Olo Marzipan. «Das ist von uns.» Klar, dieses kleine orange süsse Ding hat durchaus Legendenstatus und ist der wohl bekannteste Artikel des Unternehmens. Seit 1933 steht der Marzipanhersteller für feinste Süsswaren, die Rezepturen dazu stammen noch aus der Gründerzeit. «Besonders stolz sind wir zudem auf die vierstöckige Marzipananlage, das Herzstück der Firma.»
Süsse Produkte mit ordentlich «Pfuus»
Die Olo Marzipan verarbeitet jährlich etwa 400 Tonnen kalifornische und spanische Mandeln und Haselnüsse. «Gerade in Zeiten der Pandemie ist es nicht einfach, an qualitativ hochwertige Rohstoffe zu kommen», sagt Stefan Kummer. Eingeschränkte Produktions- und Transportketten sowie unsichere Liefertermine forderten ihn und sein Team in den letzten Monaten wiederholt heraus.
Just in diesen unsteten Zeiten informiert der Bund über Szenarien, die in den nächsten Jahren erschwerend hinzukommen könnten: Blackouts und Strommangellagen. «Strommangellagen hatten wir bisher nicht auf
dem Radar.» Im Gegenteil: Um die Produktion nachhaltiger zu gestalten, hat die Olo Marzipan in den letzten Jahren fast gänzlich von fossilen Brennstoffen auf elektrische Energie umgestellt. Mit einem jährlichen Stromverbrauch von etwa 1,2 Gigawattstunden gilt sie als Grosskundin der Elektra. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte läuft die Produktion jeweils auf Hochtouren. «Ab Sommer sind wir mit dem Weihnachtsgeschäft ausgelastet, ab Herbst produzieren wir für Ostern.»
Während Weihnachten läuft die Produktion auf Hochtouren. Fabriziert werden keine Schoggi-Anhänger für den Weihnachtsbaum, sondern bereits Osterhasen und -eier fürs Ostergeschäft. Herstellung, Lagerung und Transport von jährlich rund 2000 Tonnen an Produkten brauchen ordentlich Strom. Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmen wie die Olo Marzipan mit möglichen Stromszenarien befassen und sich darauf einstellen.
Vorbereitung auf Stromszenarien
Die Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen, kurz OSTRAL, hat sich letzten Herbst mit einer Broschüre und einem Videoaufruf des damaligen Bundespräsidenten Guy Parmelin an alle grossen Stromverbraucher der Schweiz gewandt. «Darin skizziert die Organisation mehrere Szenarien in der Stromversorgung, die eine Bedrohung für unser Land darstellen könnten», sagt Michel Gasche, Geschäftsführer der Genossenschaft Elektra. Die Experten des Bundes beschreiben beispielsweise die Situation eines flächendeckenden Blackouts. «Wenn wichtige europäische Übertragungsleitungen ausfallen, kann es zu einem Dominoeffekt kommen, bei dem das Stromnetz ganzer Gebiete oder Länder zusammenbricht.» Ein weiteres Szenario ist jenes einer Strommangellage, bei der temporär weniger Strom zur Verfügung stünde als üblich. «Das könnte der Fall sein, wenn relevante Stromproduzenten ausfallen oder die Produktion anderweitig eingeschränkt ist.» Die Aufgabe der Elektra ist es, ihre Grosskunden diesbezüglich aufzuklären. «Es geht darum, mögliche Energiesparpotenziale zu eruieren und sich Gedanken zu machen, was längere Unterbrüche oder weniger Strom für das jeweilige Unternehmen bedeuten würden.»
«Als KMU sind wir es gewohnt, Situationen rasch zu analysieren und Lösungen zu suchen.»
Stefan Kummer, Geschäftsführer Olo Marzipan
Netzsicherheit ist auch eine politische Frage
Beim Eintreten einer Strommangellage könnte der Bundesrat Grossverbraucher zu einer Stromkontingentierung verpflichten, wodurch sie über Wochen mit weniger Strom auskommen müssten. «Damit haben wir uns noch nicht befasst», sagt Olo-Marzipan-Geschäftsführer Stefan Kummer. «Wir stehen aber in Kontakt mit unserem Energieberater und prüfen mögliche Szenarien.» Gleichzeitig ist Kummer überzeugt, dass ausserordentliche Lagen schwer planbar sind. «Unsere Kunden und Zulieferer sowie zig weitere Betriebe wären auch betroffen. Was das genau bedeuten würde, ist kaum abzuschätzen.» Aber: «Als KMU sind wir es gewohnt, Situationen rasch zu analysieren und Lösungen zu suchen.»
Während ein Blackout unerwartet auftritt, geht der Bund davon aus, dass sich ein Strommangel einige Wochen im Voraus abzeichnet. Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid hat die Aufgabe, rund um die Uhr für eine stabile und sichere Stromversorgung zu sorgen. Die Schweiz ist hinsichtlich Versorgungs- und Netzsicherheit auf das synchronisierte europäische Verbundnetz ausgerichtet. «Das klingt simpel», sagt Michel Gasche. «Aber zwischen der Schweiz und der EU besteht derzeit weder ein Rahmenabkommen noch eine Stromvereinbarung, was die Umsetzung erschwert.» Es ist also auch eine politische Frage, ob die Versorgungssicherheit hierzulande gewährleistet ist oder ob es zu Stromengpässen kommt.
Wenn uns die Pandemie etwas gelehrt hat, dann die Notwendigkeit einer guten Krisenvorbereitung. Privatpersonen können sich auf eine mögliche Strommangellage vorbereiten, indem sie sich Folgendes überlegen:
- Prüfen Sie in Haushalt oder Geschäft, welche Geräte / Systeme Sie betreiben, die ohne Strom zu einer kritischen Situation führen könnten (Heizung, Lüftung, medizinische
Geräte, Aquarium, Alarmanlage, Fäkalienpumpe, automatisches Garagentor etc.). - Klären Sie, wie lange die Geräte / Systeme ohne Strom auskommen können. Prüfen Sie mögliche Alternativen. Fragen Sie Ihre Lieferanten, ob es Backup-Möglichkeiten für
fragliche Systeme gibt. - Müssen grössere Leistungen redundant zur Verfügung stehen, ist eine USV-Anlage
(unterbrechungsfreie Stromversorgung) oder eine Notstromgruppe unumgänglich. Kontaktieren Sie dazu einen Fachperson (Elektroplanerin, Elektriker, Systemlieferant).
Unternehmen erhalten ausführliche Informationen auf der Website der OSTRAL.
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